Die Wahl Habend, ein Theaterstück in drei Akten, von Malenka Radi
14. Februar 2020
Die
Wahl habend!
Ein Theaterstück in
drei Akten. Die drei Akte können auch parallel gespielt werden, als
Polydrama.
1. Die Qual
2. Das Normale
3. Der Phantast
________________________
1. Die Qual
Sie sind drei, eine
Frau und zwei Männer, die Frau ist zirka 50ig Jahre alt, der Mann
80ig, und der Junge 19, oder fast 20.
Sie sitzen um einen
Tisch herum, haben Würfel in der Hand, es ist ein Warteraum, im
Irgendwo.
Man weiß nicht wo,
man hört nichts, nur einen Uhr ticken.
Sie nimmt die Würfel
in die Hand, …
und würfelt. Es
soll entschieden werden, wer durch welche Tür geht. Sie müssen sich
trennen, sie wissen, daß sich hier ihre Wege trennen werden, und
sind traurig, darüber.
Aber sie haben keine
Wahl. Nur die Freiheit zu entscheiden, wer durch welche Tür geht.
In der Mitte der
Wand eine ganz normale Tür. Daneben ein Höhleneingang, und auf der
anderen Seite eine Gittertür, wie zu einem Gefängnis.
Oder wie aus einem
Gefängnis heraus, man kann das aber nicht genau erkennen. Sie haben
die Qual der Wahl. Sie beginnen vorsichtig ein Gespräch:
„Ja, es tut mir
Leid, daß ich Dich in diese Situation gebracht habe, aber Du wirst
sehen, wir werden unsere Wege schon finden!“ „Jeder hat die
Freiheit sich selbst zu entscheiden, es gibt immer viele
Möglichkeiten sein Leben zu leben.“
„Ja, aber ich habe
keine Ahnung, ich weiss nicht was geht, und was nicht.“
„Nun gut, wenn Du
Dich nicht entscheiden kannst, dann lassen wir die Würfel
entscheiden. Der der eine 6 würfelt muss zuerst wählen, dann der
nächste, und der letzte, muss nehmen, welche Tür übrig bleibt. So
wir das Schicksal seinen Lauf nehmen, es ist nicht gerecht, aber wie
sollen wir sonst das Problem lösen?“
„Fragen wir doch
einmal das Publikum, vielleicht hat jemand eine Idee?“
Der 80ig jährige
man geht zur Bühnenrampe, schaut geblendet ins Publikum, und fragt:
„Durch welche Tür
würden Sie gehen? Sollen wir eine Abstimmung probieren, und der der
von uns eine 6 würfelt geht durch die Tür, durch die die Meisten
hier im Saal gehen würden?“
„Ich finde das
einen guten Gedanken, dann haben wir wenigsten das Publikum auf
unserer Seite, egal, was passiert, sie müssen zum Gewinner halten,
denn das wäre das Leben, welches auch sie gewählt hätten.“
„Das ist aber
nicht sehr phantasievoll!“ „Phantasie ist hier vielleicht auch
weniger gefragt, als Mut, Überzeugung, Know How und
Einfallsreichtum, oder?“
„Also, durch
welche Tür würden Sie gehen, bitte Arme hoch, wenn Sie die Normale
Tür wählen würden!“
Eine leise
Loungemusik wird eingespielt, und es wird gezählt. „Sie haben eine
Minute Zeit, sich zu entscheiden!“
10 Minuten später.
Er der Vater, er heißt Boris, und kommt aus Bremen musste durch das
Gittertor gehen. Das Tor ging automatisch auf, als er davor stand,
und schloss sich auch wieder auch wieder automatisch. Er hatte
kräftige Stiefel an, und eine guten Anorak, beides brauchte er nun,
er musste über einen Schotterweg, er war im Freien, aber um in herum
nur Beton, der Himmel dramatisch bewölkt, mit Gewitterwolken, ein
heftiger Wind, und die ersten dicken Regentropfen. Er beeilte sich.
Auf der andere Seite
standen drei finstere, kräftige Gestalten. „Hey, Du musst
hierher!“ „Schnell!“
Er schaute sich um,
er hatte keine Wahl, zurück ging nicht, hinter der Gittertür
standen auf einmal drei kläffende Schäferhunde.
Rechts und links,
keine Türen, keine Wege, nur Beton, sicher 18 Meter hoch. Also,
keine Wahl, geradeaus.
„Komm endlich her,
wir tuen Dir nichts, Du gehörst ab sofort zu unserer Truppe, mach
einfach, was wir Dir sagen!“
„Oh, klasse,
dachte Boris bei sich!“
Der erste kam mit
schwungvollen Schritt auf ihn zu:
„Ich bin Werner,
dass ist Matthias, und der andere heisst Karl, ich bin der Anführer,
wie sollen wir Dich nennen? Wie heisst Du? Woher kommst Du?“
„Boris, aus
Bremen!“
„Du bist kräftig,
daß ist gut!“ „Wir haben einen Einsatz, es geht gleich los.
Ab durch die Mitte,
hier entlang.
Er stieß eine
Eiserne Tür auf, dahinter ein Gefängnistrakt, mit sicher 1000
Häftlingen, wilder Lärm.
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Ein Jahr später!
Boris hat inzwischen
das Einbruchshandwerk gelernt und Freigang. Er soll 3 Jahre noch im
Gefängnis absitzen, aber wegen guter Führung kommt er vielleicht
schon im nächsten Jahr hinaus. Durch seine Kumpel hat er sich
inzwischen ein kleine Vermögen zur Seite legen können, und er hat
auch eine Freundin gefunden, die eine kleine hübsche Wohnung hat.
Wenn er Freigang hat, holt sie ihn immer vom Gefängnistor ab, sie
lieben sich dann 13 Stunden lang, und essen zusammen, wie im
Schlemmerland. Sie ist Lehrerin, hat einen Tochter, die ebenfalls
Lehramt studiert.
Boris weiß, das es
nicht sicher ist, ob sie ihn bei sich wohnen lassen wird, sobald er
frei kommt, daher schaut er sich um, aber es ist nicht leicht. Die
Mieten sind irre gestiegen. Er hat einen Freund, Alfried, der hilft
ihm. Aber es ist fast unmöglich ohne feste Anstellung etwas
vernünftiges zu finden.
Vernünftig bedeutet
für ihn, eine drei Zimmerwohnung mit Charme, mit Licht und Charisma.
Er mag keine Neubauten. Schon gar keine, selbst wenn sie bereits vor
60 ig Jahren gebaut wurden. Er hasst Beton. Er möchte in einem Haus
aus Stein wohnen. Stein hat eine gute Atmosphäre. Das ist ihm
wichtig.
Auf Wohnungssuche zu
sein ist fürchterlich. Er sehnt sich nach München zurück, nach der
Stadt, in der er studiert hat. Jetzt, hier in Berlin – Tegel, da
erlebt er zwar diese tolle Seenlandschaft von Berlin, aber im Knast,
da geht es hart zu. Selbst wenn er gute Kumpels hat, und sich durch
sein Thai Chi Training, und seine Kampfkünste viel Respekt hat
einbringen lassen, mag er dieses kriminelle Milieu gar nicht. Und die
Stehlehrei, und Hehlerei gefällt ihm auch nicht, aber er musste
mitmachen, ansonsten hätten sie ihn zu Tode gequält. Jetzt hat er
seine Ruhe. Am Liebsten liest er seine Thriller, in der
Gefängnisbibliothek gibt es einige sogar in englisch. Die sind
wirklich ein guter Zeitvertreib. Hoffentlich ist dieses Kapitel bald
vorbei.
Gefängnisluft ist
schlecht für die Seele.
Zurück zum Theater.
Die Informationen, die hier so im Text zwischen den Zeilen
weitergegeben werden, könnten von einer Art Nachrichtensprecherin,
oder einem Erzähler vorgetragen werden. Wenn alles auf einer
Guckkastenbühne gespielt wird, dann stellen wir uns eine Drehbühne
vor.
Zuerst hatten wir
einen Art Eisernenvorhang, mit drei Türen. Nachdem der hochging,
befinden wir uns im 1. Akt. Dort finden wir unzählige Treppen, Gänge
und das innere eines Gefängnisses, oder Labyrinthes, ziemlich
abstrakt.
Der 2. Akt, wird
erst einmal durch einen Gang mit vielen gleichen Türen dargestellt,
und später dann durch einzelne Anstaltsräume, von Speisesaal, bis
zu den Lehrräumen, uvm. Das wechselt immer in den Etappen, in denen
sich die Bühne dreht, und die Geschichte erzählt wird.
Der 3. Akt, ist dann
das 3. Segment der Drehbühne und beginnt mit einem Motiv im Wald,
wechselt dann in eine Klinik eingetauscht wird. Alle Bilder
dazwischen werden mit Hilfe von Filmsequenzen und Videobildern
projiziert.
2. Das Normale
Er entscheidet sich
für die ganze normale Tür. Geht durch, die Klinke lässt sich
leicht herunterdrücken. Kein Widerstand. Die Tür ist wirklich so
wie viele Türen, auf dieser Welt. Nützlich, funktionell und
einwandfrei.
Hinter der Tür
befindet sich ein langer Gang, mit ebensolchen Türen. An allen Türen
stehen Nummer. Es gibtb ein Fluchtwegschild und einen Wegweiser,
sowie ein Schild, bitte folgen Sie den Anweisungen.
„Welche
Anweisungen, wozu, um seinen Weg zu finden?“
„Genau!“
Goggle Hilfe
antwortet. Er schaut auf sein Smartphone, und murmelt vor sich hin.
„Ok, 800 Meter gerade aus, dann kommt ein Lift!“
Nun plötzlich, ein
Läuten. Alle Türen öffnen sich. Viele Menschen kommen heraus. Aus
manchen Türen bis zu 8, manchmal nur einer oder zwei, alle haben die
gleichen Anzüge und Kostüme an, nur in drei verschiedenen Farben.
Er schaut sich an,
oh, er kommt aus einer anderen Welt, er trägt ein weißes T-Shirt,
und eine Jeans, er wird gemustert.
Eine Frau kommt auf
ihn zu, etwas verärgert. „Sie sind hier falsch, sie hätten gleich
bei der ersten Tür fragen sollen, wo sie Kleidung bekommen, um sich
einzufügen und anzupassen. Gehen sie zurück, und überlegen sie in
Zukunft was sie tun, bevor sie einen Schritt machen!“
Eine anderer
lächelnd: „Das ist das Gute, hier in unserer Welt, sie können
fast keinen falschen Schritt machen, immer kommt einer korrigiert
einen, aber wenn Sie zu viele Minuspunkte sammeln, kommen sie in den
Bunker, dann tragen Sie eine Gelbe Weste, dann sind sie arm dran.“
Er:“Gut, ich werde
mich fügen.“ Langsam geht er zurück.
Klopft vorsichtig an
der Tür mit der Nummer 1. Eine Stimme ruft herein. „Guten Tag!“
Er schweigt, stellt sich gerade hin, Arme an die Seite, denkt an
seine Zeit bei der Armee, an die Musterung.
Eine Frau geht um in
herum, mustert ihn. „Sie müssen jetzt dort in die Ecke, zum
Fotografieren und Maß nehmen, dann müssen sie sich ausziehen, ein
Arzt wird sie untersuchen, später wird entschieden, welche Kleidung
sie bekommen. Ach, und diesen Fragebogen müssen Sie ausfüllen.
Können Sie mich verstehen? Sprechen Sie unsere Sprache? Wie heißen
Sie? Woher kommen Sie?
Er überlegt: „Ich
heiße Hans Meier, ich komme aus Göttingen, in Deutschland.“
War das die richtige
Antwort, er hofft. Er kann sich nicht mehr genau erinnern, was vorher
war, bevor er durch diese Tür trat. Wie eine Gehirnwäsche. Er
schaut auf sein Handy, vielleicht weiß das etwas über seine
Vergangenheit. „Wie alt sind Sie?“ „19“ „Gut, das passt,
Ihr Smartphone müssen Sie hier lassen, ihre Sachen und alles was sie
haben kommt ins Archiv unter der Nummer 14768, die müssen Sie sich
merken.“ „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Sie sind
genau im richtigen Alter, und auch sonst passt alles. Sie haben die
richtige Entscheidung getroffen, ab jetzt müssen Sie sich nur noch
an alle Gesetze halten.“ „Aber keine Sorge, sie werden täglich
darin unterrichtet.“
„Sie bekommen auch
einen Kollegen zur Seite, sie werden nie mehr alleine sein.“
Er findet sich
wieder in einer weißen Kabine, er wird von allen Seiten fotgrafiert,
abgemessen und dann kommt der Arzt:
„Nun, zeigen Sie
mir mal Ihre Zunge. Haben Sie Krankheiten? Sind Sie schon einmal
operiert worden?“
„Nein!“
„Nun gut, daß
werden wir sehen.“
„Ziehen sie jetzt
diese Unterwäsche an, und legen sie sich bitte auf diese Bank.“
… und so geht es
weiter, er wird gründlich, überall abgetastet und untersucht.
Dann darf er sich
einen blauen Anzug anziehen, mit einem Emblem, darunter ein Schild
mit dem Namen Hans, und der Nummer: „14768“.
Auf der Rückseite:
„Schueler G.“.
Soll das Göttingen
heißen?
Der Raum ist kahl,
es gibt ein Fenster, aber mit Milchglas, gibt es überhaupt ein
Draußen?
Er fragt: „Wo bin
ich?“
„Sie sind richtig,
machen Sie sich keine Gedanken, Sie werden alles noch erfahren, aber
zuerst müssen Sie begreifen, daß Sie nicht mehr Fragen dürfen! Sie
dürfen nur reden, wenn Sie gefragt werden. Ansonsten gibt es
Sprechzeiten, in denen Sie frei Reden dürfen, aber nur mit
bestimmten Personen. Sie werden den richtigen Umgang bekommen.“
„Jetzt wird es
Zeit, daß Sie weitergehen. Sind Sie müde oder hungrig?“
Eine Frau kommt
herein, mit einem Kittel und einer Haube. „Wir wissen ja nichts
über ihn, wir müssen noch eine Magenspiegelung machen, dann kann er
in die Mensa gehen, es wird jemand kommen, ihn abzuholen.“
„Ok, hier
entlang!“
Es vergeht noch gut
eine Stunde, die Magenspiegelung ist eine sehr unangenehme Prozedur.
Dann kam ein Knabe, von 16 Jahren. „Hallo, ich heiße Mike, ich bin
schon in der Mission geboren, Du musst mir jetzt folgen, ich werde
Dir zeigen wie alles in den ersten Tagen hier für Dich
funktioniert.“
Nach dem er alles
hinter sich hatte, ging es in die Mensa. Dort waren die Altersgruppen
aufgeteilt, die Jugendlichen saßen links, die älteren rechts,
Frauen und Männer getrennt. Keiner über 45.
Alle schauten kurz
auf ihn. „Das ist Hans!“ „Haha, Hans im Glück!“, lachte
einer, viele schmunzelten, einige interessierten sich gar nicht. „Ok,
Neuzugang, setz Dich hierher, da ist in Zukunft Dein Platz!“ ,
sagte einer in lila Uniform, mit gelben Streifen.
Es schien Mittag zu
sein, es wurde rasch gegessen, einer brachte ihm ein Tablett. „Ab
morgen musst Du Dich ordentlich in den Ablauf einreihen, ok!“
Er, Hans, in
Gedanken, etwas verträumt, sollte er sich nun freuen, was wird mit
ihm geschehen? Wird es gut sein, oder schlecht, was auf ihn zukommt?
Wird ihm sein neues Leben gefallen? Ihm fällt es noch schwer sich
einzugewöhnen.
Nun, sind ja auch
noch keine vier Stunden vergangen, nach dem Essen, muss er in die
Küche, abwaschen. Alle Neuen müssen erst einmal ins Reinigungsteam,
damit sie lernen, wie blöd es ist, wenn nicht jeder seinen Dreck
selber weg macht, beziehungsweise erst gar keinen macht.
Danach kommen sie
ins Hospitalteam, und müssen Kranke pflegen lernen, damit sie auf
sich aufpassen und alle Hygienevorschriften lernen, außerdem müssen
sie morgens und abends immer drei Stunden in die Schule, und
mindestens für eine Stunde in den Sportunterricht.
Es gibt kein Pardon,
weigert sich jemand oder macht er seine Arbeit schlecht kommt er in
den Bunker. Immer wird davon gesprochen, pass auf, wenn Du etwas
falsch machst, dann droht Dir der Bunker. Das ist kein Spaß, dort
wird man 20 Stunden gequält und hat nur noch vier Stunden Schlaf,
und auch der Schlaf kann einem entzogen werden.
Bunker, das ist hier die Hölle!
Nach ein paar
Tagen, weiß er wo sein Bett ist im Schlafsaal, hat die Grundregeln
alle gelernt, und auch einen Freund gefunden. Der heisst David und
ist ein Jahr älter. Er ist nie alleine! Er wird nie ohne Aufsicht
gelassen. Ein ständiges Programm.
Er findet sich
schwer zurecht. Er kennt das nicht. Und er weiß auch nicht, warum er
hier gelandet ist, und ob er je eine Chance hat hier heraus zu
kommen.
Einmal fragt er
David, sag mal, was passiert mit uns, ab 45. Dann ist das hier zu
Ende? Was passiert mit den älteren Menschen?
David schaut ihn an,
ganz erschüttert. Das frag lieber nicht, einige sagen, es gibt
Gaskammern, alte Menschen will man nicht, andere sagen, Du kommst
dann in den Himmel, oder in ein Dschungelcamp. Ich glaube es gibt
sehr viele Visionen, Träume und Hoffnunge, am Besten denkst Du Dir
etwas Eigenes aus, was Dir hilft, den Alltag hier zu überstehen.
„Ist es schlimm,
oder gibt es auch Gutes?“
„Oh ja, nach einem
Jahr bekommst Du das erste Mal Ferien, weisst Du das gehört zu den
Menschenrechten, zwei Wochen Ferien pro Jahr, und Du darfst Dir sogar
aussuchen, was Du machen möchtest.“
„Was gibt es denn
zur Wahl?“ „Du kannst zum Beispiel eine Schlafkur machen!“
„David lacht!“ „Ich war in den Bergen, bei der Ernte helfen.“
„Das war wirklich toll!“
„Es gibt so
Kataloge, wenn Du Dir Pluspunkte erarbeitet hast, dann darfst Du Dir
einmal im Monat eine Stunde lang in der Bibliothek, die Kataloge
ansehen!“
„Das ist der
Superhit!“
-
Ein Jahr später.
Inzwischen ist Hans informiert, was er in seinen ersten Ferien machen
darf. Die Station liegt mitten im Grunewald in Berlin. Sie sind zirka
10 000 Versuchskaninchen, an denen hier neue Lebensformen für die
Menschen von morgen ausprobiert werden. Aber das weiß er nicht, für
ihn ist nun alles Realität und Alltag geworden. Was soll´s es ist
ja auch nicht zu ändern, wenn man den Bunker vermeiden will. Einmal
war er drei Tage dort unten. Zuerst kommt man in eine Schleuse, zirka
80 x 80 cm, zu dritt. Man ist aneinander gequetscht, ohne WC, ohne
Licht. Es gibt scheinbar keine Öffnung. Am Besten hält man das aus,
wenn man ganz still wird. Man muss die anderen zwei riechen können.
Das ist sehr schwer. Es gibt wenig Luft, es scheint eine Ewigkeit,
danach ist man froh über alles, was folgt. Zuerst werden sie
angeschrien, sie sollen herauskommen und sich ausziehen, dann werden
sie eiskalt abduscht mit einem knallharten Schlauch. Man muss sich
die Hände vor die Augen halten, aber alles andere wird malträtiert,
mit dem Wasserstrahl. Es ist schlimmer als Peitschenhiebe sein
könnten.
Dannach dürfen sie
sich auf einen Stuhl setzen mit den Rücken zueinander, es ist
eiskalt, Scheinwerfer werden auf sie gerichtet. „Was haben Sie
falsch gemacht!“ „Was glauben Sie, daß es uns Freude macht, Sie
zu brechen, ihnen klar zu machen, was passiert, wenn sie nicht
folgsam sind?“
„Folgsamkeit!“
„Ohne Folgsamkeit, geht es nicht in dieser Gemeinschaft. Es gibt
kein aus der Reihe tanzen, haben Sie das verstanden?“
So geht das über
eine Stunde lang, jedes Zeitgefühl geht verloren, dann müssen sie
dreckige kratzige Kutten überwerfen, werden an Ketten gehängt, wie
man es aus dem Mittelalter kennt, und Hans denkt sich nur noch: „Das
ist jetzt aber ein ganz schlechter Film, und eine ganz beschissene
Rolle!“
Aber keine Chance,
ab sofort leben Sie ein Sklavenleben, sie müssen in den Abort und
die Schiesse schaufeln, die stecken geblieben ist, oder irgendwelchen
Unrat aus dem Urin- und Abortanlagen mit der bloßen Hand
herausholen. Oft kommt es ihnen vor die Wärter hätten absichtlich
besonders ekelige Sachen hineingeworfen. Sie stehen förmlich
stundenlang in der Scheiße. Nach drei Tagen, kaum Schlaf, ist der
Albtraum plötzlich vorbei. Sie dürfen aus dem Loch herauskriechen,
werden wieder abgestrahlt mit dem kalten Wasserschlauch, aber dieses
mal ist es eine Wonne, endlich sauber – Wasser – kein Gestank
mehr!
Dann bekommen sie zu
kleine bunte Jogginganzüge und wieder in eine Schleuse. Auch das ist
auf einmal wohlig, warm. Sie umarmen sich - „Wir haben es
geschafft! Wir kommen heraus!“
„Nie wieder wird
uns das passieren!“
Später erfahren
Sie, daß dies noch ohne Folter und die angenehmste Bunkerepisode
war. Jede weitere wird immer noch schlimmer, also keine gute Idee,
wieder in den Bunker zu müssen.
„Puh, die Hölle
kann man also Stück für Stück kennenlernen, wenn man aufsässig
ist!“
Hans hat jetzt
Glück, nun hat er Pluspunkte gesammelt, und nun darf er sich seinen
Urlaub aussuchen. Er wählt einen Badeurlaub am Grunewaldsee. Dort
hat die Anstalt ein kleines Revier abgesteckt für Ihre Schützlinge.
Es ist eingezäunt, und man sieht nicht wer sonst noch an dem See
ist, aber es sind Spielgel, so daß man das Gefühl hat der
Grunewaldsee ist rundherum, menschenleer, nur von Tieren bevölkert.
Zwei Wochen Ferien,
aber auch in den Ferien gibt es Regeln, aber die sind fast harmlos.
Man wird verwöhnt, wie in einer Jugendherberge, sogar T-Shirt und
Jeans darf man tragen, und den ganzen Tag Baden und Schwimmen. In der
Bibliothek gibt es die neuste Literatur der Welt. Sogar in
verschiedenen Sprachen, man ist plötzlich auf dem Laufendem und
bekommt mit, daß da Draußen die Welt ganz normal Ihren Lauf nimmt.
Aber was bedeutet das eigentlich, was ist das für eine Geschichte,
in die er da hineingerutscht ist, und warum?
Irgendwas ist faul
an dem Ganzen, aber was? Was war der Auslöser, wie sind sie in
diesen Warteraum gekommen, und warum?
Plötzlich gibt es
eine Unmenge von Fragen. Und gar keine Antworten.
3. Der Phantast
Sie ist übrig
geblieben, der 19 jährige Hans, war der Gewinner. Wie Hans im Glück,
er durfte den einfachen Weg gehen. Er durfte durch die ganz normale
Tür, in ein ganz normales Leben gehen. Dann hatte ihr Vater den
nächsten 6 er, alle sagten er solle die Gittertür nehmen, denn er
wäre zu alt für ein Abenteuer in der Wildnis.
Sie musste nun in
den sauren Apfel beißen, oder hatte Sie am Ende das Beste los
gewählt? Oft beißen den Letzten die Hunde heißt es, oder der
Letzte wird der erste sein, ob sie sich je wieder sehen werden?
Werden Sie miteinander chatten können? Werden sie sich aus den Augen
verlieren, oder Kontakt behalten? Was wird sein?
Sie beginnt zu
weinen. Nun muss jeder seinen eigenen Weg gehen, jetzt kann man nur
noch wünschen, daß es jedem dabei gut gehen wird. Aber sie vermisst
ihn schon jetzt, sie wird beide vermissen. Ihren Bruder, und ihren
Vater!
Die beiden anderen
waren schon verschwunden, hinter der normalen Türen und der
Gittertür, die Verabschiedung war kurz und innig. Sie tritt zur
Rampe, schaut ins Publikum und beginnt einen Monolog.
„Was würden Sie
an meiner Stelle tun? Wir haben die Aufgabe jeder unseren eigenen Weg
zu gehen, wir dürfen keine gemeinsamen Schritte mehr unternehmen,
heisst es, aber eigentlich, warum? Weil es die Menschenrechte gibt?
Weil der Staat Singelhaushalte bevorzugt? Weil jeder nur an sich
selber denken soll, weil die Familie nicht mehr mitzureden hat? Weil
die jüngeren Generationen nicht mehr stolz sind auf die
Vergangenheit, auf die Leistungen der Alterer, der Eltern, der
Vorfahren? Weil soviel Mist passiert ist, in der Vergangenheit? Aber
wie sieht das heute aus?
Was passiert den
heute? Es gibt schlimmere Kriege, totalitärere Staaten, schlimmere
Lagerzustände als jeh, mehr Hungerskatastrophen, eben eine
exlpodierende Bevölkerung, keiner hat mehr genügend Platz, für den
kleinsten Besitz, nur noch für das Notwendigste. Überfüllte
Kleiderschränke kommen auf den Müll, damit man weiterhin Kleider
kauft, und diese dann wieder wegwirft, nach einiger Zeit. Essen wird
in den Müll geworfen, und gefressen wird wie noch nie. Reich und Arm
klaffen auseinander, wie noch nie, und dann haben wir noch die Angst
vor Stürmen und Orkanen. Die Schulen werden geschlossen, wegen
Unwetterwarnung. Die Kinder streiken Freitags und demonstrieren gegen
den Klimawandel für mehr Vorsicht, im Umgang mit allem. Aber
gemeinsam dürfen wir uns zwar in Zweck WG´s zwängen, aber echte
Lebensgemeinschaften gibt es kaum noch. Alternative Lebensformen
kämpfen und Raum und Anerkennung, lassen aber kaum jemanden hinein.
Was tun?
Ok, machen wir das
Spiel mit, entscheiden wir uns für einen Weg, aber ich bin die
letzte ich habe keine Wahl, ich habe nicht die Qual, Angst vor dem
Gefängnis zu haben, wenn ich durch diese Gittertür gehe, Angst vor
Zucht und Ordnung, aber wenigstens ein Dach über dem Kopf, etwas zu
Essen, und Anspruch auf das Recht, einen Anwalt zu haben, egal, was
mir vorgeworfen wird.
Was werfen wir denn
unseren Eltern eigentlich vor? Dass der Hollocoust nicht gut genug
aufgearbeitet wurde? Dass wir am Ende eben doch nicht die Freiheit
haben unseren Lebensweg selbst zu bestimmen?
Ich muss in die
Forschung, mich schicken Sie in die Wüste, oder in den Dschungel,
dabei bin ich gar nicht geimpft. Kein Schutz vor dem Gelbfieber, kein
Schutz vor gar nichts. Ich muss das Wagnis eingehen, jeden Tag einen
neuen Schlafplatz zu finden, und jeden Tag zu hoffen etwas zu Essen
zu bekommen. Der Existenzkampf pur erwartet mich, daß ist sicher,
wenn ich in diese Höhle schlüpfen muss. Was würden sie tun? Gar
nichts? Einfach hier in diesem Warteraum bleiben? Einfach weiter
warten, daß sich doch noch eine andere Tür auftut, daß es doch
noch einen anderen Weg kommt, daß mein Vater, oder mein Bruder
zurück kommt?
Ich könnte mich
hinsetzen, ein Buch schreiben über die Vergangenheit, aber es wurde
gesagt der Warteraum hier wird in 5 Minuten geschlossen, und ich?
…???“
Sie dreht sich um,
zieht Ihre Schuhe aus, bückt sich und schlüpft in den
Höhleneingang.
Erst sind die Steine
nass, dann kalt, der Boden ist sandig und klebt ihr an den Händen.
Sie rutscht
vorsichtig weiter, am Ende des Tunnels, sieht sie ein Licht flackern,
und einige Frauen mit Kindern, an einem Lagerfeuer.
Als sie bei Ihnen
anlangt, wir Sie skeptisch begutachtet.
„Wer bist Du? Wie
heisst Du? Und woher kommst Du?““
„Ich heisse
Annette, und ich komme aus München.“
Die Frauen sehen wie
Zigeunerinnen aus, ziemlich bunt, und, und ziemlich fröhlich. „Darf
ich mich zu Euch setzen?“
„Klar, hier nimm
einen Tee, Essen ist gleich fertig.Wohin willst Du?“
„Das weiß ich
nicht, ich hatte einmal Träume, aber jetzt mache ich einfach, was so
jeden Tag auf mich zukommt. Ich versuche nicht mehr an die
Vergangenheit zu denken, an meine Kinder, oder meine Familie. Ich
habe diesen Weg eingeschlagen, nur weil es keinen anderen für mich
gab. Jetzt bin ich da.“ „Du kannst eine Weile mit uns
weiterziehen, aber nur, wenn Dich keiner unserer Männer ansieht.
Sobald einer Dich zu lange ansieht, werden wir Dir die Augen
auskratzen, und Dich weg schicken, wir wollen keine Unruhe, und keine
Frauen, die Ärger bereiten, aber wenn Du kochen und arbeiten kannst,
dann ist es gut, wir brauchen jede Hand.“
„Kannst Du singen?
Zeig mal, was Du alles so kannst.“ Ein kleines Mädchen kommt
herbei, und fragt: „Magst Du meine Mami sein, ich habe keine, mein
Bruder und ich, wir sind Weisen.“
„Ok!“ Sie denkt,
die Kinder sind lieb, ok, wenn ich mich um sie kümmere, dann sehen
die anderen, daß ich etwas tue, und das ich eine nette Frau bin.“
Sie essen alle
zusammen, lachen, dann beginnt einer Musik zu machen. Viele Emotionen
liegen in der Luft. Eine gute Stimmung ist, die zwei Kinder lehnen
sich bei Ihr an, der Bub ist eingeschlafen.
Dann kommt einen
ältere Frau auf sie zu, nimmt sie mit, sie gehen hinaus ins Freie,
es ist ein Wald, und auf einer Lichtung stehen so Bauwagen herum, und
Wohnwagen. „Dahinten der Wagen ist frei, den kannst Du mit den
Kindern beziehen.“
sie lächelt Annette
nett an, pass aber auf, daß Du nie hübsch anzusehen bist, sonst
gefällst Du unseren Männern. Das wollen wir nicht. Hier regieren
die Frauen.
Annette nimmt die
beiden Kinder, bringt sie in den Wagen und beginnt sich darin
umzusehen. Es ist alles ziemlich schmutzig und verdreckt, in einer
Ecke hört sie Mäuse, ins Spülbecken hat einer gekotzt. Die Kotze
ist aber schon angetrocknet. Es ist alles ziemlich widerlich, aber
besser als in der Höhle. Decken gibt es, und ein Bett. Sie lüftet,
steckt die Kinder ins Bett, und beginnt sauber zu machen.
Sie fühlt sich
müde, aber glücklich nicht alleine zu sein, und wenigstens etwa zu
tun zu haben. Mami sein, ist immer schön.
Mal sehen, wie das
hier alles geht. Am nächsten Tag ist in der Früh schon viel los.
Das Lager wird abgebrochen, alles sind im Reisefieber.
Es sit ein großer
Wald, wie sich herausstellt. Ihr Wagen wurde an einen anderen
angehängt. Sie wird sozusagen ins Schlepptau genommen. Sie drüfen
vorne mitfahren, die Kinder haben Platz auf dem Bett in er
Fahrerkabine.
„Ich bin der Onkel
von den Beiden, man nennt mich Wolfi, ich freue mich, wenn Sie in Dir
eine neue Mami gefunden haben. Aber Du musst sehr aufpassen, die
Frauen hier können sehr rabiat werden.“ „Wir fahren jetzt in die
Nähe eines Bergwerkes, dort gibt es um diese Jahreszeit immer
Arbeit. Wir sind 30 Männer und 40 Frauen, mit 75 Kindern. Es sind
einige Großmütter darunter. Die sind besonders spitz, und schnell
bei der Klinge. Es ist kein Zuckerschlecken hier bei uns. Wenn wir in
die Stadt kommen, ist es besser Du suchst Dir Arbeit, und nimmst die
Kinder mit, für uns sind sie nur eine Last. Wir wollen auch eher
weniger werden, als noch jemanden dabei zu haben. Sie haben Dich nur
aufgenommen, weil wir immer aus Prinzip zu jedem Fremden
gastfreundschaftlich sind. Das hält aber höchsten für 2 Wochen an,
dann musst Du sehen, dass Du Deine Platz gefunden hast, oder weiter
kommst.“
Eine Weile spricht
keiner.
„Mir gefällst Du,
aber ich werde kein nettes Wort zu Dir sagen, ich habe zwei
Freundinnen, die keilen und buhlen, um mich wie verrückt, wer wann
mit mir sein darf. Du hast nur jetzt ein paar stunden, während
dieser Fahrt das Glück, bei mir sein zu dürfen, aber später muss
ich behaupten, Du bist langweilig und einsilbig, ok. Hast Du
verstanden?“
Sie denkt an einen
Film, eines berühmten italienischen Regisseurs, den sie einmal
gesehen hat.
Wie ein
Landstreicher eine dumme Frau aufnimmt, und die beiden dann als
Clowns über das Land ziehen. Sie hat Lust zu schreiben. Das ist
immer ihre Flucht, die Reise in das Land der Phantasie, damit die
Realität leichter zu ertragen ist.
Die Kinder beginnen
zu singen. Sie haben eine fröhliche Natur. Die Sonne kommt langsam
heraus, und manchmal kommen Felder.
Auch Autos und Busse
beleben nun die Straße. Ihr Zug ist lang. Es sind sicher 15
Wohnwagen, und einige Autos, drei LKW´s, mit je zwei Anhängern. Sie
kommt sich vor wie beim Zirkus, aber es ist eine Arbeiterkolonne aus
Zigeunern.
Die meisten sprechen
dieselbe Sprachen, machen auch drei oder vier.
Am späten
Nachmittag kommen sie auf einem großen Parkplatz direkt an einem
Steinbruch an, einige Fabrikhallen und Lagerstätten, sowie
Transporter und Containerwohnungen sind dort. „Tomorrowland“,
steht auf einem Plakat, dahinter eine Kioskbude, ein Supermarkt und
ein Diskothek.
Jeder bekommt einen
Stehplatz zugewiesen, einen Stromanschluss und Wasserleitungen werden
verlegt zwischen den Wohnwagen. Manche haben fließend Wasser und
sogar Duschen in Ihren Wohnwagen. Einer hat den Superluxuswohnwagen!
Die Frau, die dort herrscht heisst Erika. Ihre Kinder sind eitel und
gemein. Ihr Mann kommt fasst wie ein Guru daher.
„Hey, Annette, Du
musst Dich jetzt nützlich machen, sonst sind Deine Tage bei uns
gezählt, kannst Du gut schreiben, ich brauche jemanden, der die
ganzen Anmeldeformalitäten mit mir zusammen erledigt. Komm mal mit.
Sie geht mit Ihm zu
den Container, in eine Office der Tomorrowland Steinbruch AG.
„Ja, ich kann
das.“
„Ok, setz Dich da
hin, es kann schon los gehen, hier sind die ganzen Ausweise. Wo ist
eigentlich Deiner, hast Du überhaupt einen?“
Sie ist froh, ja sie
hat eine kleine Tasche, da ist etwas drinnen, etwas Geld, eine Uhr,
ihr Handy, und auch ein paar Fotos, von Ihren Kindern, von der
Familie, von ihrem Bruder, und ihrem Vater. Auch eines von Ihrem
Mann, den hat sie sicher seit Weihnachten nicht mehr gesehen.
Ihr kommt es vor,
wie eine Vergangenheit, die völlig irreal ist. Hier, nun sich
plötzlich am Rande einer Großstadt wiederfindend, in slumähnlichen
Verhältnissen. Das ist hart. Zwei Kinder an der Seite, die sie kaum
kennt, und ihre weit weg.
Was wäre gewesen,
wenn Sie hätte durch die normale Tür gehen können, in ein normales
Leben. Wie schaut ein normales Leben heute auf dieser Welt aus.
Sie fragt sich das,
hat aber keine Antwort, denkt daran was sie alles über den Kongo
weiß, über China und über den Krieg in Syrien.
Viele Bilder hat sie
im Kopf, von zerquetschen Autos, umgeknickten Bäumen, von
Kinderleichen, Krüppeln, von Auffanglagern an den Grenzen, von
Flüchtlingskolonnen. Dann wieder im Gegenzug dazu die Malediven,
Traumstrände, schöne Villen, Luxushotels und schönen
Ausflugsorten. Teure Restaurants, schicke Läden, schöne Städte,
gebohnerte U-Bahnen, und Luxuseinkaufsmeilen.
Plötzlich wird ihr
schwindelig, ...sie kippt um.
-
Ein Jahr später!
Was ist passiert?
Sie ist in einem Krankenhaus aufgewacht, Sie ist in Berlin, Mitten in
der Stadt. Der Chefarzt aus der Klinik in Lüneburg, in welche sie
zuerst eingeliefert wurde, nachdem sie in das Koma gefallen war,
hatte gemeint, sie müsse nach Berlin Spandau gebracht werden, auf
die Intensivstation, dort gäbe es die einzigen Fachärzte, die so
ein Black Out kennen, und die ihr helfen konnten. Die zwei Kinder
wurden von der Fürsorge übernommen, weil die Zigeuner behaupten,
sie hätte sie schon mitgebracht. Die Kinder schwiegen und besuchten
Sie einmal in der Woche im Krankenhaus, mit einer Begleitung von der
Jugendwohlfahrt. Sie nannten sie Mami, ansonsten besuchten sie noch
zwei junge Missionarin, und eine Pfarrer aus der Gemeinde Spandau.
Lange konnte sie sich kaum bewegen, noch konnte sie sprechen. Alles
um sie herum wurde irgendwie geregelt. Aber wie, wer tat was, und
warum? Es hieß Ihr Vater hätte Ihr ein kleines Vermögen
hinterlassen, mehr wusste sie im Moment aber nicht. Einer der Ärzte,
aus Indien kommen, war besonders aufmerksam zu ihr.
Heute wurde ihr
Geburtstag gefeiert, es war der 14. Februar 2080. Sie konnte sich
aber leider an gar nichts erinnern. Nur die Kinder begannen zu
erzählen, von dem Leben bei dem Zigeunern, und in den Slums. Sie
würden fast ganz Europa kennen, die Grenzen sind überall offen,
wenn man einen europäischen Pass hat, den hatten sie Gott sei Dank,
obwohl sie ziemlich schwarz waren. Woher sie wohl wirklich kommen,
und warum die Zigeuner sie aufgenommen hat? Jedenfalls erzählten sie
ihr viel, und sie hörte gut zu. Sie las auch Zeitung. Alles, was es
aktuelles gab wußte sie, alles was vorher war, war wie ausradiert,
aber scheinbar war sie am 14.2.2038 in Berlin geborgen. Im Tiergarten
aufgewachsen, dort zur Schule gegangen. Hatte in einem Chor mit
gesunden, dem Lärchenchor. Sie war oft Solosängerin und liebte die
Auftritte berichtete ihr eines Tages Frau Peuker, ihr damalige
Klassenlehrerin. Sie hatte sie zufällig getroffen, hier im
Krankenhaus, im Garten, weil diese alte Lehrerin jeden Tag Besuch
bekam, von ganz vielen Kindern, und so waren sie ins Gespräch
gekommen.
Und so erfuhr sie
ein paar Brocken aus Ihrer Vergangenheit. Aber wie würde nun ihre
Zukunft aussehen? Langsam begann sie mit der Physiotherapie, und
langsam konnte sie sich wieder bewegen.
Sie wendet sich und
windet sich in ihrem Krankenhausbett, manchmal geht sie zu Fenster.
Eine ganze Szene lang spielt sie die Langeweile des
Krankenaufenthaltes durch.
Es sind abstrakte
Momente, irreale Szenen.
-Pause-
Vorhang
Der
Vorhang ist im normalen Theater rot gehalten.
Es
könnte ein Samtvorhang mit vielen Falten sein.
10 Jahre später, erscheint auf dem Vorhang zu lesen.
Der Vorhang geht
hoch.
Die Drehbühne hat
sich verwandelt in 3 Räume aus Berlin. Zum einen sieht man dem
Alexanderplatz von 1950. Im nächsten den Grunewaldsee au s dem Jahr
1060, und im dritten Segment den Hansa Platz von 1970.
Die Bühne dreht
sich langsam, es sind keine Schauspieler auf der Bühne. Dann fällt
ein leichter Schleier über alles. Und aus dem Zuschauerraum kommen
die drei Hauptdarsteller, alle um 10 Jahre gealtert.
Boris, jetzt 90ig
Jahre alt.
Hans, nun 30ig Jahre
alt.
Annette, mit 50ig
Jahren.
Boris trägt einen
blauen Anzug, und sieht aus, wie ein Banker.
Hans, hat sich in
einen echten Künstler verwandelt, trägt eine Baskenmütze und
ansonsten alles in schwarz.
Annette trägt ein
Blümchenkleid und versucht sich jugendlich zu bewegen, hat ganz
lange Haare auf einmal, trägt diese zu einem Pferdeschwanz.
Sie gehen
aneinandergeschmiegt, von der Seit auf die Bühne, zum Erzähler.
Dieser kann ein
Mann, oder eine Frau sein. Sie setzen sich auf drei Stühle, die in
der Mitte der Rampe mit dem Rücken zum Publikum aufgestellt sind.
Der Erzähler geht um sie herum, und beginnt zu reden.
„Ja, was ist
eigentlich passiert?“
„Also, wie kam es
zu dieser Situation in dem Warteraum, und wie haben sie sich
wiedergefunden? Und warum diese eigenartigen Erlebnisse und
Lebenswege?“
Da hebt sich der
Schleier, und Annette geht in ihr Bild, dem Hansa Platz der 60iger
Jahre des letzten Jahrhunderts. Es sieht alles aus, wie eine echte
Museumskulisse.
„Am Liebsten würde
ich sie alle einladen, sich einmal diesen Platz anzusehen. Das ist
der Ort meiner Kindheit, aber was dann alles passiert ist in meinem
Leben, daß hat mich weit von diesem Ort entfernt. Und warum? Und
warum sind mein Bruder und mein Vater die wichtigsten Menschen in
meinem Leben geworden? Ich habe darauf bis heute keine Antworten. Ich
weiß nur eines, der Mensch denkt, er denkt er hätte Rechte und
Freiheiten, aber dann kommt immer alles ganz anders.
Alles entwickelt
sich völlig anders, als geplant, gedacht und auch erträumt. Ich zum
Beispiel wollte zum Theater, dann habe ich geheiratet, Kinder
bekommen, wollte Pferde züchten, aber statt dessen wurde ich in den
Kongo geschickt und kam mit zwei Adoptivkinder zurück, ich habe oft
Wissenslücken. Ich habe ein Problem mit den grauen Zellen, manchmal
kippe ich einfach um, dan liege ich Monate lang in einem Krankenhaus,
oder ich lande im Irgendwo, und muss warten., warten, aber auf was?
Ich weiss es nicht. Ich mag Musik, ich möchte auch wer sein, aber
statt dessen passieren immer Pannen. Meine Träume sind etwas
verrückt, meine Begegnungen auch. Und die Welt, die ändert sich mit
einem gewaltigen Tempo. Auf einmal sind wir in der Zukunft. Ich
wollte für die Menschenrechte kämpfen, stattdessen, wurde ich
ausgebeutet. Ich hatte keinen Raum mehr für mein Hab- und Gut. Wenn
ich etwas gekauft habe, oder mir Leisten konnte, dann konnte ich
sicher sein, es würde keinen Platz geben, wo ich leben könnte, wo
ich meine Sachen aufbewahren konnte. Das Recht auf Besitz ist ja
recht schön, wenn man keinen Platz hat, zum Sein, auf dieser Erde.
Mein Schatz hat keinen Platz, er hat sich minimiert, mit allem, was
er hat, für mich ist dort kein Platz. Mein Bruder hat kein Platz zum
Leben, die Menschen um mich herum stöhnen alle, wegen hohen Mieten,
oder weil sie weder eine Arbeit, noch einen Raum zum leben finden.“
….sie wandelt so
über die Bühne und redet vor sich hin. Meine Beste Freundin ist
ausgestiegen. Sie mag nichts mehr mit diesem System zu tun haben. In
China herrscht ein Virus, der die Grenzen total dicht macht.
Plötzlich darf keiner mehr hinaus, und auch keiner mehr hinein.
Ist das Absicht?
Schon seit 50ig
Jahren weiß keiner mehr, was dort passiert. Wir hier in Europa
machen Experimente um es uns vorstellen zu können. Die Berichte aus
Syrien, die Foltermethoden, die Bekannt sind, die werden an jungen
Leuten ausprobiert, um zu sehen, ob sie sich brechen lassen, ob eine
Gruppe von Menschen total Folgsam leben kann. In einem anderen
Experiment werden alle Menschen ab 45 einfach zu Haftstrafen
verurteilt. Das macht der Staat, um die Kosten für die Altersheim zu
verringern, die Gefängnisse sind alle völlig digitalisiert und
werden von Robotern gemanagt. Es gibt gar kein Personal mehr. Alles
ist ganz effizient und billig.“
Hans springt auf! Er
wendet sich an das Publikum: „Ja, ist das nicht der völlige
Wahnsinn, erst musst Du Jahre lang folgsam sein, und dann wirst Du in
ein Gefängnis abgeschoben um all Deine Sünden und Missetaten
abzubüßen.“
Boris redet
dazwischen: „Irgendwie hat es aber auch jeder verdient, den bis man
45 Jahre alt wir, hat man auch viel Mist gemacht. Du kannst Dir ja
gar nicht vorstellen, was manchen Leute alles auf dem Kerbholz
haben.“ Er lacht, „und dann wenn Du im Gefängnis landest, dann
lernst Du erst richtig Dir etwas auf die Seite zu schaffen, andere
Leute zu bestehlen. Hehler, Betrüger und Dieb zu werden, wenn Du
überleben willst. Ich sage Dir, es gibt nicht viele gute Menschen
unter uns, oder glaubt ihr am Ende noch an das Gut?“
Er dreht sich zu
Publikum und beginnt zu schimpfen: „Ist irgendjemand hier im Saal,
der nichts auf dem Kerbholz hat? Gibt es jemanden, der aufstehen
kann, und der dann behaupten kann, er habe alles in seinem Leben
richtig gemacht, und genau das Leben gelebt, welches er wollte? Oder
einfach ein ganz normales Leben? Was ist denn eigentlich ein ganz
normales Leben? Mitmachen? das Essen, zu den Preisen, was wir im
Supermarkt kaufen können? Immer zu allem ja sagen, was uns
vorgegeben wird? Es gibt ja kaum mehr eine Streikkultur. Die letzten
großen Streiks in Paris, von den Gelben Westen, und die der
Eisenbahnergewerkschaften, sind alle zerschlagen worden. Keine Chance
auf Sonderrechte, auch die Franzosen müssen sich anpassen, können
nicht mehr früher in Rente gehen, oder andere Privilegien genießen.
Tatsache ist, daß es nicht leichter geworden ist, in den letzten
50ig Jahren, daß es eigentlich gar keine Menschenrechte mehr gibt,
und daß wir es sehr schwer haben uns noch ein freies Leben
vorstellen zu können.“
„Wie sagt man so
schön, wenn es beim Nachbarn brennt, brennt, dann brennt es auch
bald bei Dir. So wachsam hätten wir uns die Probleme der Chinesen
vor 50ig Jahren ansehen müssen, denn all diese Themen sind jetzt
brandaktuell hier in Europa.“
„Stimmt, ich zeig
Euch einmal wie es vor 120 Jahren in Berlin am Grunewaldsee
zugegangen ist. Oh da hatten alle noch Hoffnungen, sind nackt ins
Wasser gesprungen, dachten das sie einmal in dem Job landen werden,
den sie studiert haben, und ihre Kinder antiautoritär großziehen
können.“
„Antiautoritäte
Kindererziehung! Das sind historische Erinnerungen, davon ist gar
nichts mehr übrig geblieben.“
„Ja, die
Studentenrevolution der 69iger, die sind alle verschollen, diese
Studenten von damals, in den Mühlen des Alltags.“
Nun kommen alle
weiteren Darsteller auf die Bühne, inzwischen sind wir auf der
Drehbühnenseite des Alexanderplatzes angekommen.
Alle Darsteller
haben Gelbe Westen an.
„Die Französische
Revolution soll niemals vergessen werden, auch nicht der Kommunismus
und all seine guten Idee, wir wollen nicht die Macht der Reichen, wir
wollen mitbestimmen können, mitreden. Niemand darf uns untätig
nennen.“
Einige Kinder sind
besonders laut, sie stürmen über den Platz, sie klettern an den
Wänden hoch, sie protestieren lautstark. „Erinnert Euch an Greta!“
„Kinder an die
Macht!“
So geht das sich er
10 Minuten, alles endet dann in einem großen elektronischem
Musikzauber. Bilder von der Loveparade werden gezeigt, vom Fall der
Mauer. Aus der DDR, aus dem Nationalsozialismus und vieles mehr. Ein
Abriss durch die Geschichte.
Der Erzähler:
„Damit keiner vergisst, was eigentlich so alles passiert ist, und
warum!“
….
die Bühne dreht
sich, alle ziehen ihre Kleider aus… nacktbaden ist angesagt,...alle
Schauspieler springen in den Grunewaldsee und haben Spaß.
Musik ertönt…
- kurze Pause -
Wollen Sie Eis, auch
hier im Theater können Sie Eiskreme alle Art bekommen…
Durch die Reihen
gehen Eisverkäuferinnen, in den Kostümen von Langnese der 50iger
Jahre. Es sollen viele Leute Eis kaufen…. Es wird freundlich dafür
geworben.
-Pausenende -
….auf der Bühne
eine abstrakte Welt des Irrsinns. Großstadt und Metropolen Wahnsinn.
Viel Lärm, viel Geräuschkulisse. „Viel Lärm um nichts?“ Der
Erzähler kommt wieder ins Rampenlicht.
Inzwischen befinden
wir uns im Jahr 2090. Es sind wieder 10 Jahre vergangen. Boris lebt
immer noch, Annette ist inzwischen Rentnerin geworden, und Hans,
Vater. Er hat zwei Söhne und er hat eine nette junge Frau an seiner
Seite. Sie sitzen alle zusammen auf einer Bank vor einem Sandkasten,
die zwei Kinder bauen Sandburgen.
„Erstaunlich, daß
es immer noch Sandkästen gibt!“ „Die gibt es nur, weil Hunde
verboten wurden. Haustiere kann sich kein Mensch mehr leisten, und
der Hund als Begleiter ist nicht mehr vertretbar geworden, seit das
Fleisch essen auf wöchentliche Ration von 50g pro Person beschränkt
wurde.
Überhaupt essen nur
noch wenige Menschen Fleisch. Genauso, wie die Modeindustrie komplett
eingegangen ist, weil kein Geld für Kleidung mehr da ist. Fast 80ig
Prozent eines Haushaltseinkommens gehen für die Mieten drauf, und
das ist auch noch normal, manchmal geht ein Einkommen komplett fürs
Wohnen drauf. Wenn man keinen Lebenspartner hat, muss man in einem
Hostel wohnen, dann besitzt man nur noch, was in einen Koffer passt.“
„Werde nicht so
nachdenklich, trotzdem träumen Menschen noch, sie heiraten viel
mehr, sie bekommen alle ein Kind, und sie leben oft mit den Eltern
noch zusammen.“
„Ich glaub mich
tritt ein Pferd!“ Hans springt auf und lacht, schaut einmal, was
diese Rabauken mit dem Sand gemacht haben, die haben sich einen Hund
aus Sand modelliert.“
„Alle Kinder
wünschen sich einen Hund! Hast Du Dir als Kind nicht auch einen
gewünscht?“
„Ich schon,
...aber die Welt hat sich verändert. Jetzt sieht alles anders aus.
Man sieht auf den Straßen keine Hunde mehr. Nur Jagdhunde sind
erlaubt.“
Der Erzähler: „Und
hier sehen Sie nun eine glückliche Familie, wieder vereint! Und die
Moral von der Geschicht? Ich kann es Ihnen nicht sagen, daß müssen
Sie selber herausfinden. Tatsache ist, daß sich die Welt verändert
und wir eigentlich nicht wissen, wohin, wir können auch kaum selber
mehr Entscheidungen treffen, wie wir unser Leben leben möchte. Ob es
richtig ist, was wir tun, und wie wir es tun, auch nicht, warum wir
es tun. Jedenfalls wäre es gut, wenn man nicht mitschwimmt mit der
Masse, denke ich. Wenn wir nicht aufhören uns Gedanken zu machen, um
unsere Mitmenschen, und unsere Nachbarn. Wenn wir über unseren
Tellerrand hinaussehen, und wenn wir uns genau fragen, warum wir hier
und jetzt, im Heute, nicht Dinge auch anders betrachten können.
Jedenfalls haben wir gar keine Möglichkeit mit geschlossenen Augen
durch die Weltgeschichte zu gehen, sondern wir müssen hinhören,
hinschauen, mitdenken, nachdenken und uns genau überlegen, was wir
akzeptieren können, und was nicht.“
„Ein
Großstadttraum kann auch ein echter Albtraum werden, stimmt´s Papa.
“Kommt der kleine
Johannes zu seinem Vater gelaufen, seine Mutter lächelt beide an.
„Ja, und das Glück
kommt selten allein!“, lacht sie. Man sieht wie glücklich diese
junge Familie ist. Annette schaut ihren Vater an: „ Und Du schaffst
es tatsächlich noch 110 zu werden, als alter Thai Chi Meister.“
Der Erzähler: „So
happy End?“
Annette steht auf,
und kippt plötzlich um. Sie ist tot.
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