Ein toller König!!! Und sein Vater...
Rudolf Manga Bell
Rudolf Duala Manga Bell (* 1873; † 8. August 1914) war König des Duala-Volkes in Kamerun zur deutschen Kolonialzeit. Er war Anführer des Widerstandes gegen die Vertreibung der Duala aus ihren angestammten Wohnplätzen.
Hinrichtung kamerunischer Widerstandskämpfer
Nach einem Schauprozess hat die deutschen Kolonialmacht den kamerunischen König Douala Bell vor hundert Jahren in Kamerun gehängt. Die Deutschen wollten damit zu Beginn des Ersten Weltkriegs ein Exempel in den Kolonien statuieren.
Die Hinrichtung mehrerer kamerunischer Widerstandskämpfer jährt sich in diesem Monat zum hundertsten Mal. Rudolf Douala Manga Bell, Martin-Paul Samba und weitere Personen wurden in einem Schnellverfahren von der deutschen Kolonialverwaltung in Kamerun des Hochverrats bezichtigt. Kaum waren 24 Stunden verstrichen, wurde Bell gehängt und Samba erschossen.
«Ihr werdet Kamerun niemals haben»
Im Ersten Weltkrieg wurde in Afrika nicht nur der grosse Krieg zwischen den europäischen Grossmächten ausgefochten, sondern auch der zwischen der lokalen Bevölkerung und den Kolonialmächten. Es war die Hochphase des Imperialismus und des Wettlaufs um Afrika. So soll Samba noch kurz vor seinem Tod den deutschen Henkern entgegengerufen haben: «Ihr werdet Kamerun niemals haben.» Sein Ausruf gilt als Fanal des kamerunischen Nationalismus.
Kolonialsoldat
Martin-Paul Samba, geboren etwa 1875, war ein ehemaliger Unteroffizier der deutschen Schutztruppe in Kamerun. Er war bis 1902 als Kolonialsoldat der Deutschen Teil der militärischen Expeditionen in Kamerun. Danach liess sich Samba in der Stadt Ebolowa im Südwesten Kameruns nieder. Seine anfängliche Bewunderung für das Deutsche Reich wandelte sich in tiefe Verachtung um. In Ebolowa soll Samba die ungerechte Behandlung und Vertreibung der lokalen Bevölkerung durch die Kolonialmächte empört haben, so dass er einen Aufstand plante. Wie das Vorhaben Sambas aufgedeckt wurde, ist unklar. Jedoch wurden mit ihm am 8. August 1914 weitere einflussreiche Männer des Südens exekutiert. Ihnen wurde vorgeworfen, Vorbereitungen für einen militärischen Sturz der Deutschen getroffen und dazu Unterstützung beim König der Douala, Bell, gesucht zu haben. Verbindungen zwischen Samba und dem König konnten jedoch nicht nachgewiesen werden.
Zwangsumsiedlung
Der Douala-König und einflussreiche Politiker Bell wurde ebenfalls von den Deutschen am selben Tag hingerichtet. Wie Samba lebte auch Bell fünf Jahre in Deutschland. Von 1891 bis 1896 besuchte er in Aalen eine Volksschule, mit 12 Jahren wechselte er auf ein Gymnasium in Ulm. Bereits sein Vater Alexander Bell war für die Ausbildung nach Deutschland gegangen. Die lokalen Eliten, vorrangig die Douala, hatten zu den Deutschen eine ambivalente Beziehung. So hatte der junge Rudolf Bell bereits in Kamerun die deutsche Regierungsschule besucht und hegte Bewunderung für Deutschland.
Zurück in Kamerun, galt Bell als Vermittler zwischen der deutschen Kolonialverwaltung und dem Volk der Douala. Allerdings kam es bereits kurz nach seiner Inthronisierung 1910 zum Bruch. Der deutsche Gouverneur Theodor Seitz plante in Douala getrennte Wohngebiete zwischen den weissen Europäern und der schwarzen Bevölkerung. Das Wohngebiet der Douala sollte ausschliesslich Europäern als Wohnraum sowie als Bau- und Wirtschaftsstandort dienen. Dies bedeutete Zwangsumsiedlung und die Durchsetzung einer rigorosen Enteignungspolitik. Die lokalen Eliten lehnten das Projekt ab. Bell schrieb eine Petition an den deutschen Reichstag. Seine Eingabe wurde 1912 abgeschmettert.
Pyrrhussieg
Bell liess es nicht dabei bewenden. Er wollte vor dem Reichstag das Anliegen der Douala vorlegen, jedoch wurde seine Ausreise nicht genehmigt. So bat der König schriftlich, von der Enteignung abzusehen. Trotzdem wurde im Januar 1913 der Enteignungsbeschluss vom Reichskolonialamt erlassen. Im Februar protestierte der König erneut, obwohl er Drohungen von den Deutschen erhielt. Im August wurde Bell dann all seiner Funktionen enthoben. Wenige Monate später, im Dezember 1913, begann die Kolonialverwaltung mithilfe der Polizei mit der gewaltsamen Umsiedlung der betroffenen Bevölkerung und dem Abriss der Gebäude in Douala.
Bell liess trotzdem nicht locker. Zum einen schrieb er mehrere Petitionen, zum anderen schickte er nun seinen Sekretär Adolf Ngoso Din nach Deutschland. Din sollte im Reichstag zumindest eine Fraktion dazu bewegen, gegen die Enteignungen in Douala zu stimmen. Tatsächlich hatte Din Erfolg und konnte die sozialdemokratische Fraktion überzeugen. Die Enteignungen in Douala wurden eingestellt. Der anfängliche Erfolg stellte sich jedoch als Pyrrhussieg heraus. Denn nur wenige Wochen später schaffte es der Staatssekretär Solf, die notwendigen Stimmen für die Mehrheit im Reichstag zu erhalten. Die Enteignung einer Fläche von 908 Hektaren wurde fortgesetzt und die Bewohner aus den Gebieten vertrieben.
Hochverrat
Zugleich wurde gegen Bell ein Haftbefehl wegen Hochverrats erlassen. Bei dem Sultan Njoya von Bamum soll ein Telegramm aufgetaucht sein, in dem Bell zur Verschwörung gegen die deutsche Kolonialherrschaft aufgerufen habe. Die Echtheit des Dokuments ist umstritten. Bell wurde im März 1914 festgenommen. Als der Erste Weltkrieg in Europa ausbrach, herrschte erst einmal Funkstille zwischen Kamerun und Deutschland. Aufgrund der antideutschen Stimmung in Kamerun wollte die deutsche Kolonialverwaltung ein Exempel statuieren. Sie fürchtete nicht nur Aufstände, sondern wollte auch den sich anbahnenden Kollaborationen mit den Alliierten einen Riegel vorschieben.
Tod durch den Strang
So wurden der König und sein Sekretär am 8. August in Douala gehängt. Laut einem Abgeordneten des Reichstags der Weimarer Republik waren die letzten Worte des Königs: «Unschuldiges Blut hängt ihr auf, verdammt seien die Deutschen. Gott! Ich flehe Dich an; höre meinen letzten Willen, dass dieser Boden niemals mehr von Deutschen betreten werde!» Wenige Tage später, am 24. August 1914, begannen in Kamerun die ersten Kämpfe zwischen den Deutschen auf der einen und den Franzosen und Briten auf der anderen Seite. Die Kameruner befanden sich aufseiten der Alliierten. Zwar sollte es noch 46 Jahre bis zur Unabhängigkeit dauern. Doch wurden mit dieser Rebellion gegen die Deutschen sowohl Bell wie auch Samba als antikoloniale Helden und Protagonisten des kamerunischen Nationalismus bekannt. Die Beziehung zwischen den Eliten und den Deutschen erwies sich als komplex. Zwischen Bewunderung und Verachtung zeigten sich Grautöne, etwa Kollaborationen mit der Kolonialverwaltung.
Als Bell wegen Hochverrats inhaftiert wurde, studierte sein Sohn Alexander Ndumbe in Deutschland. Auch nachdem Bell gehängt worden war, blieb er, der Nachfolger des getöteten Königs, erst einmal dort. Zu diesem Zeitpunkt war Kamerun eine französische Kolonie, 1919 wurde er nach Paris abgeschoben. Erst 1951 fand Ndumbes Inthronisierung statt, zudem nahm er in der Dekolonialisierung Kameruns eine zentrale Rolle ein.
Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Rudolf Manga Bell wurde 1873 im Raum Douala als ältester Sohn von König Manga Ndumb'a und Enkel von King Bell, der den „Schutzvertrag“ mit Deutschland unterzeichnet hatte, geboren. Er besuchte dort die deutsche Regierungsschule, bevor er 1891 für fünf Jahre als Pflegekind zur Familie Österle nach Aalenkam. In dieser Zeit lernte er Deutsch und wurde für sein Leben geprägt. 1897 ging er zurück nach Kamerun, um dort Emily Engome Dayas zu heiraten. 1902 reiste er nach Deutschland und traf in Berlin auf den Direktor der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes, Oscar Wilhelm Stübel. Er erhielt so Einblicke in die Struktur der deutschen Kolonialverwaltung, was ihm später von Nutzen war.
1905 verfasste er gemeinsam mit König Akwa von Bonambela und 26 weiteren kamerunischen Volksoberhäuptern einen offenen Brief an den deutschen Reichstag. In diesem beschwerte man sich u. a. über rechtsbeugende Handlungen durch den Gouverneur Jesko von Puttkamer, Enteignungen, Niederreißen von Häusern ohne Genehmigung, Zwangsarbeit ohne Lohn, willkürliche Verhaftungen und übermäßige Strafen sowie entwürdigende Behandlung von kamerunischen Volksoberhäuptern.
Ihr Ruf wurde zwar in Deutschland mit Erstaunen und ungläubiger Anerkennung aufgefasst, jedoch eher belächelt als erhört. Ein Gouverneurswechsel fand erst 1907 statt, als Theodor Seitz seinen Dienst in Bueaaufnahm. Dessen Haltung in den sogenannten „Eingeborenenfragen“ entsprach etwa der des Staatssekretärs Bernhard Dernburg. Als 1910 Friedrich von Lindequist die Leitung der deutschen Kolonialverwaltung übernahm, ging Seitz nach Deutsch-Südwestafrika und wurde durch den erheblich rassistischeren, alldeutsch geprägten Otto Gleim ersetzt.
Unter Gleim wurden Pläne entwickelt, die Douala von ihrem Wohngebiet am Kamerunfluss ohne entsprechende Entschädigung zu vertreiben, ihre Häuser zugunsten von Faktoreien niederzubrennen und in Douala schwarze und weiße Wohnviertel zu trennen. Dagegen setzte sich Rudolf Manga Bell zur Wehr. Er richtete Petitionen an Gouvernement und an den Reichstag, nahm Kontakt zur deutschen Opposition und christlichen Missionen auf und schaltete schließlich sogar einen Berliner Anwalt in dem Fall ein. Die deutsche Presse berichtete dagegen von einem „Hilfsgesuch“ an Frankreich und Großbritannien, das bis heute jedoch nicht belegt ist. 1914 wurde König Rudolf Manga Bell, der bis zuletzt Deutschland und dem Kaiser treu geblieben und friedlich gegen konkrete Missstände vorgegangen war, wegen „Hochverrates“ zum „Tode durch den Strang“ verurteilt. Er wurde mit seinem Sekretär Ngoso Din am 9. August 1914 in Douala hingerichtet. Seine letzten Worte waren: „Unschuldiges Blut hängt ihr auf. Umsonst tötet ihr mich. Aber die Folge davon wird die größte sein.“
Sein Volk wurde vom Kamerunfluss vertrieben. Rudolf Manga Bell wurde zu einer Art Märtyrer und Volksheld. Im Ersten Weltkrieg unterstützten die Douala die Entente.
Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am 11. April 2018 gab die Bezirksverordnetenversammlung des Bezirks Berlin-Mitte bekannt, dass der zuvor nach dem kolonialistischen Forscher Gustav Nachtigal benannte Nachtigalplatz nach Emily und Rudolf Duala Manga Bell benannt werden soll.[1]
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Gisela Graichen, Horst Gründer: Deutsche Kolonien. Traum und Trauma. Ullstein, Berlin 2005, ISBN 3-548-36940-5, S. 108–110.
- Wilfried Westphal: Geschichte der deutschen Kolonien. Bertelsmann, München 1984, ISBN 3-570-03450-X, S. 293.
- Christian Bommarius: Der gute Deutsche. Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914. Berenberg Verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-937834-77-1
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Hinrichtung kamerunischer Widerstandskämpfer, Neue Zürcher Zeitung 4. August 2014
- Film über Rudolf Manga Bell
- Dokumentarstück über Manga Bell von Kum'a Ndumbe III.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Laura Hofmann: Neue Straßennamen fürs Afrikanische Viertel gefunden. In: Der Tagesspiegel.11. April 2018, abgerufen am 11. April 2018.


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